

Hilfe im Gazastreifen: UNRWA-Chef kritisiert US-Stiftung GHF als "Abscheulichkeit"
Die Vereinten Nationen haben das System zur Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen scharf kritisiert. Die mittlerweile zuständige von den USA unterstützte Privatstiftung sei eine "Abscheulichkeit", sagte der Leiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, am Dienstag in Berlin. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte warf Israel "Kriegsverbrechen" durch den Einsatz von Lebensmitteln als Waffe vor. Die Hamas beschuldigten Israel, am Morgen erneut auf an einem Verteilzentrum wartende Menschen gefeuert und 21 von ihnen getötet zu haben.
"Der neu gegründete sogenannte Hilfsmechanismus ist eine Abscheulichkeit, die verzweifelte Menschen erniedrigt und herabwürdigt", sagte Lazzarini. Er kritisierte die Verteilzentren der von den USA und Israel unterstützen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) als "eine Todesfalle, die mehr Leben kostet als rettet". Die Stiftung betreibt vier Verteilzentren im Süden und im Zentrum des Palästinensergebiets.
Israel hatte Anfang März eine Blockade für Hilfslieferungen in den Gazastreifen verhängt, auch UNRWA und anderen UN-Organisationen wurde der Zugang verwehrt. Erst Ende Mai hob Israel die Blockade teilweise wieder auf. Seitdem hat die GHF die Verteilung von Lebensmitteln in dem Palästinensergebiet größtenteils übernommen.
Die UNO und große Hilfsorganisationen verweigern die Kooperation mit der Stiftung. Sie werfen ihr vor, sich nach den Plänen der israelischen Armee auszurichten. An den Verteilzentren der Stiftung kommt es zudem immer wieder zu Chaos und Gewalt. Die radikalislamische Hamas beschuldigte Israel schon mehrfach, Zivilisten durch Schüsse getötet zu haben, die auf dem Weg zu einem Verteilzentrum waren. Israel weist dies zurück.
Israel wiederum wirft UN-Organisationen wie dem jahrzehntelang im Gazastreifen tätigen Palästinenserhilfswerk UNRWA vor, von der Hamas unterwandert zu sein. Ende Januar trat in Israel ein Verbot von UNRWA in Kraft: Das Palästinenserhilfswerk darf seitdem nicht mehr auf israelischem Staatsgebiet aktiv sein, Israel stellte die Zusammenarbeit komplett ein.
Der von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Zivilschutz im Gazastreifen meldete am Dienstag erneut 21 Todesopfer bei einem Vorfall an einem GHF-Verteilzentrum. Die israelische Armee habe "im zentralen Gazastreifen mit Kugeln und Panzergranaten" auf Menschen geschossen, die in der Nähe eines Verteilzentrums auf die Ausgabe von Hilfsgütern warteten, sagte Zivilschutz-Sprecher Mahmud Bassal der Nachrichtenagentur AFP.
Etwa 150 Menschen seien zudem verletzt worden, fügte Bassal hinzu. Zudem seien bei einem Luftangriff auf ein Haus in Gaza-Stadt fünf weitere Menschen getötet worden.
UNRWA-Chef Lazzarini forderte Israel am Dienstag auf, dem UN-Hilfswerk wieder Zugang zum Gazastreifen zu gewähren und die humanitäre Versorgung der Bevölkerung wieder zuzulassen. Hilfsorganisationen wie UNRWA hätten die erforderliche "Fachkenntnis", sagte Lazzarini in Berlin. Israel müsse ihnen daher gestatten, ihre Arbeit zu machen und den Menschen im Gazastreifen mit "Respekt und Würde" zu helfen. Es gebe "keine andere Alternative", um die im Gazastreifen drohende Hungersnot zu verhindern.
Israel steht wegen der verheerenden humanitären Lage in dem Palästinensergebiet international unter Druck. Die UNO warnt vor einer Hungersnot im gesamten Gazastreifen.
"Die Verwendung von Lebensmitteln zu militärischen Zwecken gegen Zivilisten schränkt nicht nur deren Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen ein oder verhindert ihn gänzlich, sondern stellt auch ein Kriegsverbrechen dar", erklärte Thameen Al-Cheetan, Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, bei einer Pressekonferenz in Genf.
"Die verzweifelten und hungernden Menschen im Gazastreifen stehen weiterhin vor der unmenschlichen Wahl, entweder zu verhungern oder bei dem Versuch, sich Lebensmittel zu beschaffen, getötet zu werden", fügte al-Cheetan hinzu.
Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) gab indes bekannt, dass einer seiner Mitarbeiter am Sonntag im Gazastreifen getötet worden sei. "Mahmoud Barakeh, der in der logistischen Unterstützung des Feldlazaretts des Roten Kreuzes in Rafah tätig war, wurde am Sonntag getötet", teilte das IKRK auf seiner Website mit.
Bei X erklärte die Organisation, Barakeh sei "auf dem Weg nach Hause" getötet worden. Er "hinterlässt seine Frau, drei Söhne und zwei Töchter". Es ist bereits der fünfte seit Beginn des Krieges im Gazastreifen dort getötete Mitarbeiter der Hilfsorganisation.
H.Becker--NRZ